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Annie Ernaux – Eine Leidenschaft

4:55
 
Kongsi
 

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Die Geschichte, die Annie Ernaux in „Eine Leidenschaft“ erzählt, meint man schon unzählige Male gelesen zu haben: eine Frau hat eine Affäre mit einem Mann und gerät in Abhängigkeit von ihm. Die beiden haben Sex, sie wartet sehnsüchtig auf ihn, er benutzt sie. Aus lauter Angst, seine Anrufe zu überhören, wagt sie nicht, staubzusaugen oder die Haare zu föhnen, ja, sie traut sich kaum aus dem Haus. Nur die Zeit, die sie mit A. – so heißt er – verbringt, zählt.
Ich schreibe keinen Bericht über eine Affäre, ich schreibe keine Geschichte mit einer präzisen Chronologie … Für mich gab es so etwas in dieser Beziehung nicht, ich kannte nur An- oder Abwesenheit.

Quelle: Annie Ernaux – Eine Leidenschaft

Die Ich-Erzählerin der knapp achtzig Seiten kurzen Geschichte ist unschwer als alter Ego der Autorin zu erkennen. Sie ist geschieden, Mutter zweier Söhne, ungefähr Mitte vierzig, beruftstätig. Wie sie A., - Zitat - „einen Ausländer“ kennengelernt hat, erfahren wir nicht. Er kommt aus Ost-Europa, ist etwas jünger als sie, verheiratet und erinnert, so heißt es im Text, an Alain Delon. Die Affäre erstreckt sich über ein gutes Jahr. „Ich habe das gelebt. Ich habe alles komplett akzeptiert, was so eine Leidenschaft bedeutet: Der Mann ist verheiratet, ist also nicht mehr frei und unterliegt Zwängen. Das habe ich akzeptiert und diese Leidenschaft als eine wunderbare Erfahrung wahrgenommen und nicht als Entfremdung. Ich würde sagen, letztendlich ist es ein Luxus, wenn man eine Leidenschaft leben kann.“ Annie Ernaux, hier in einem Interview im französischen Fernsehen aus dem Jahr 1992, hat fast alle Phasen ihres Lebens – die Eltern, die verstorbene Schwester, die Abtreibung, die soziale Herkunft – in Literatur verwandelt. Auch „Eine Leidenschaft“ ist ein autofiktionaler Text, in dem die „Ethnologin ihrer selbst“, wie sie sich bezeichnet, in ihrer schnörkellosen Sprache, ohne Pathos und Larmoyanz, das Private mit dem Gesellschaftlichen verknüpft. Eines der Hauptthemen ihres Werkes, das Zerrissensein zwischen den gesellschaftlichen Klassen, streift sie in diesem Roman nur ganz kurz. Wie in all ihren Büchern skizziert sie mit knappen Strichen die Zeit, in der die Geschichte spielt, die ausgehenden 1980er Jahre: sie erwähnt den Fall der Berliner Mauer, die Unruhen in Algerien und hört Sylvie Vartans Chanson „C’est fatal, animal“ das – passenderweise - von einer wilden, leidenschaftlichen Liebe erzählt. „Ich habe mich zuweilen gefragt: ist das jetzt eine Art Geständnis, wie man sie in manchen Frauenzeitschriften findet? Das Protokoll einer Passion? Ein Manifest der Leidenschaft? Das ist es ja in gewisser Weise. Aber wie dem auch sei - ich hatte das Bedürfnis, alles zu erzählen. Denn zweifelsohne gibt es diesen heimlichen Wunsch: wenn man etwas sehr Schönes erlebt hat, liegt die wahre Vollendung vielleicht darin, darüber zu schreiben.“ In Frankreich hat Annie Ernaux ihren kleinen Roman 1991 veröffentlicht und für Aufsehen gesorgt. Gut dreißig Jahre später hat die Geschichte allerdings nicht mehr die gleiche Brisanz wie damals. Eine Frau schreibt über ihre Affäre, über Sex und ihre Abhängigkeit von einem eigentlich Unbekannten - das ist nichts Neues mehr. Aber Annie Ernaux wäre nicht Annie Ernaux, wenn ihr dabei nicht etwas Anderes am Herzen läge: das Schreiben als Frau über ein Thema, das meist Männern vorbehalten ist. In ihrer Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises hatte Annie Ernaux gesagt, es gehe ihr darum, den Zorn auf den diskriminierenden Umgang mit Frauen und die Wertschätzung des eigenen Körpers auszudrücken. Dafür ist „Eine Leidenschaft“ ein gutes Beispiel. Wie auch der im letzten Jahr auf Deutsch erschienene Kurztext „Der junge Mann“, in dem sie eine Affäre mit einem dreißig Jahre jüngeren Studenten beschreibt. In beiden Geschichten erinnert sich Annie Ernaux an das traumatische Erlebnis einer illegalen Abtreibung. In „Eine Leidenschaft“ kehrt sie - nachdem A. in sein Land zurückgekehrt ist, - in das Haus zurück, in dem sie damals, als junge Studentin, eine sogenannte Engelmacherin aufgesucht hat. Ihr Fazit:
Ich ging zurück zur Station Malsherbes und nahm die Metro. Dieser Schritt hat nichts geändert, aber ich war froh, ihn gegangen zu sein, noch einmal mit dem Gefühl absoluter Verlorenheit in Kontakt getreten zu sein, deren Ursache auch damals ein Mann gewesen war.

Quelle: Annie Ernaux – Eine Leidenschaft

2004 gab es bereits eine Übersetzung, die Annie Ernaux‘ Roman in der Ecke erotischer Frauenliteratur platzierte: „Eine vollkommene Leidenschaft. Die Geschichte einer erotischen Faszination.“ Diese Ecke, in die sie ja nie gehört hat, hat die Autorin längst verlassen. Die Neuübersetzung von Sonja Finck hat dazu beigetragen.
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Ich schreibe keinen Bericht über eine Affäre, ich schreibe keine Geschichte mit einer präzisen Chronologie … Für mich gab es so etwas in dieser Beziehung nicht, ich kannte nur An- oder Abwesenheit.

Quelle: Annie Ernaux – Eine Leidenschaft

Die Ich-Erzählerin der knapp achtzig Seiten kurzen Geschichte ist unschwer als alter Ego der Autorin zu erkennen. Sie ist geschieden, Mutter zweier Söhne, ungefähr Mitte vierzig, beruftstätig. Wie sie A., - Zitat - „einen Ausländer“ kennengelernt hat, erfahren wir nicht. Er kommt aus Ost-Europa, ist etwas jünger als sie, verheiratet und erinnert, so heißt es im Text, an Alain Delon. Die Affäre erstreckt sich über ein gutes Jahr. „Ich habe das gelebt. Ich habe alles komplett akzeptiert, was so eine Leidenschaft bedeutet: Der Mann ist verheiratet, ist also nicht mehr frei und unterliegt Zwängen. Das habe ich akzeptiert und diese Leidenschaft als eine wunderbare Erfahrung wahrgenommen und nicht als Entfremdung. Ich würde sagen, letztendlich ist es ein Luxus, wenn man eine Leidenschaft leben kann.“ Annie Ernaux, hier in einem Interview im französischen Fernsehen aus dem Jahr 1992, hat fast alle Phasen ihres Lebens – die Eltern, die verstorbene Schwester, die Abtreibung, die soziale Herkunft – in Literatur verwandelt. Auch „Eine Leidenschaft“ ist ein autofiktionaler Text, in dem die „Ethnologin ihrer selbst“, wie sie sich bezeichnet, in ihrer schnörkellosen Sprache, ohne Pathos und Larmoyanz, das Private mit dem Gesellschaftlichen verknüpft. Eines der Hauptthemen ihres Werkes, das Zerrissensein zwischen den gesellschaftlichen Klassen, streift sie in diesem Roman nur ganz kurz. Wie in all ihren Büchern skizziert sie mit knappen Strichen die Zeit, in der die Geschichte spielt, die ausgehenden 1980er Jahre: sie erwähnt den Fall der Berliner Mauer, die Unruhen in Algerien und hört Sylvie Vartans Chanson „C’est fatal, animal“ das – passenderweise - von einer wilden, leidenschaftlichen Liebe erzählt. „Ich habe mich zuweilen gefragt: ist das jetzt eine Art Geständnis, wie man sie in manchen Frauenzeitschriften findet? Das Protokoll einer Passion? Ein Manifest der Leidenschaft? Das ist es ja in gewisser Weise. Aber wie dem auch sei - ich hatte das Bedürfnis, alles zu erzählen. Denn zweifelsohne gibt es diesen heimlichen Wunsch: wenn man etwas sehr Schönes erlebt hat, liegt die wahre Vollendung vielleicht darin, darüber zu schreiben.“ In Frankreich hat Annie Ernaux ihren kleinen Roman 1991 veröffentlicht und für Aufsehen gesorgt. Gut dreißig Jahre später hat die Geschichte allerdings nicht mehr die gleiche Brisanz wie damals. Eine Frau schreibt über ihre Affäre, über Sex und ihre Abhängigkeit von einem eigentlich Unbekannten - das ist nichts Neues mehr. Aber Annie Ernaux wäre nicht Annie Ernaux, wenn ihr dabei nicht etwas Anderes am Herzen läge: das Schreiben als Frau über ein Thema, das meist Männern vorbehalten ist. In ihrer Rede zur Verleihung des Literaturnobelpreises hatte Annie Ernaux gesagt, es gehe ihr darum, den Zorn auf den diskriminierenden Umgang mit Frauen und die Wertschätzung des eigenen Körpers auszudrücken. Dafür ist „Eine Leidenschaft“ ein gutes Beispiel. Wie auch der im letzten Jahr auf Deutsch erschienene Kurztext „Der junge Mann“, in dem sie eine Affäre mit einem dreißig Jahre jüngeren Studenten beschreibt. In beiden Geschichten erinnert sich Annie Ernaux an das traumatische Erlebnis einer illegalen Abtreibung. In „Eine Leidenschaft“ kehrt sie - nachdem A. in sein Land zurückgekehrt ist, - in das Haus zurück, in dem sie damals, als junge Studentin, eine sogenannte Engelmacherin aufgesucht hat. Ihr Fazit:
Ich ging zurück zur Station Malsherbes und nahm die Metro. Dieser Schritt hat nichts geändert, aber ich war froh, ihn gegangen zu sein, noch einmal mit dem Gefühl absoluter Verlorenheit in Kontakt getreten zu sein, deren Ursache auch damals ein Mann gewesen war.

Quelle: Annie Ernaux – Eine Leidenschaft

2004 gab es bereits eine Übersetzung, die Annie Ernaux‘ Roman in der Ecke erotischer Frauenliteratur platzierte: „Eine vollkommene Leidenschaft. Die Geschichte einer erotischen Faszination.“ Diese Ecke, in die sie ja nie gehört hat, hat die Autorin längst verlassen. Die Neuübersetzung von Sonja Finck hat dazu beigetragen.
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