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Katja Lange-Müller „Unser Ole“: Vom Los ungeliebter Töchter | Buchkritik

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Die Geschichte beginnt – nachdem die Autorin uns versichert hat, sie sei wahr, auch wenn sie die handelnden Personen unkenntlich gemacht habe – mit einem populären Lied aus frühen DDR-Zeiten:
'Kleines Haus am Wald/Morgen komm ich bald…' diesen Herbert-Roth-Schlager aus der Zeit ihrer Jugend hatte Ida vor sich hin gesummt, während sie ihren Koffer packte, um am nächsten Tag bei Elvira einzuziehen.

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Eine Zweck-WG gezeichneter Figuren

Ida und Elvira: Zwei höchst verschiedene alte Frauen, die eint, dass sie von ihren Müttern nicht geliebt wurden. Ida war eine besonders schöne Frau, die ihr Leben an der Seite ebenso wohlhabender wie egoistischer Männer verbracht hat. Irgendwann waren die Herren jedoch stets von ihr gelangweilt und nach der letzten Trennung ist sie ziemlich weit unten angekommen. Im wahren Sinn des Wortes: in einer dunklen Ein-Zimmer-Erdgeschoss-Wohnung. Sie hat eine miese Rente, die sie mit gelegentlichen Auftritten bei Seniorinnen-Modeschauen aufbessert. Auf einer solchen Veranstaltung trifft sie die lange schon verwitwete Elvira, die bis zur Pensionierung mit Leidenschaft berufstätig war. Ihr gehört ein kleines Haus und dort gibt es ein Zimmer für die Freundin.
Elviras ‚Eigenheim‘, ein rauputzgrauer Würfel mit Eternitdach, befindet sich auf einem Eckgrundstück am Rande eines Dorfes nahe der Hauptstadt, von der aus es per Auto gut, per Regionalbahn und Bus aber nur bis neun Uhr abends zu erreichen ist. Elvira nannte ihre abgelegene Gegend einmal „das letzte Loch im Berliner Speckgürtel“.

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Es ist also nicht direkt das schlagersehnsüchtige „kleine Haus am Wald“, in das die stets perfekt geschminkte, auf Kleidung wertlegende Ida zieht. Sie muss keine Miete zahlen. Als Ausgleich soll sie der Freundin im Haushalt zur Hand gehen und bei der Betreuung des halbwüchsigen, titelgebenden Enkel Ole helfen.

Familiengeschichten zwischen Grauen und Humor

Zwei alte Frauen, ein hässliches Haus und ein gestörter 15-Jähriger, der sich nur rudimentär verständlich machen kann, der viel und immer das Gleiche isst und am liebsten im Bett liegt. Das ist die Ausgangskonstellation in dem neuen Roman der Berliner Autorin Katja Lange-Müller. Und dann passiert ein Unglück. Ein Sturz. Hat Ole nachgeholfen oder ist die Großmutter gestolpert? Das wird nicht aufgeklärt, auch nicht von den freundlichen Kommissaren, die für kurze Zeit eine wichtige Rolle spielen und nicht wenig Humor in die nicht gerade komische Lage bringen. Entscheidender als die Polizei ist jedoch Oles Mutter, die rechtmäßige Erbin, die jetzt das Spielfeld betritt. Womit das Trio im hässlichen Haus wieder komplett wäre. Nur sind es jetzt eine alte und eine mittelalte Frau, die am Küchentisch sitzen und nicht wissen, wie sie mit dem behinderten Ole zurechtkommen sollen.
Sein Intelligenzquotient soll etwa bei vierzig liegen, zudem gilt er als autistisch. Von der allgemeinen Schulpflicht ist er jedenfalls befreit und in die Sonderschule geht er auch nicht. Seine Oma Elvira hat ihn unterrichtet, so gut es ging. Lesen, schreiben, rechnen kann er nicht, dafür hantiert er gern mit Buntstiften und Elvira gefielen seine Bilder…

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Oma Elvira war wohl nicht unschuldig an der Behinderung des Neugeborenen. Jedenfalls erzählt Katja Lange-Müller eine ziemlich schreckliche Mutter-Tochter-Geschichte, in deren Folgen ein hirngestörter Säugling auf die Welt kommt. Überhaupt gelingt es ihr, die Lebensgeschichten dieser drei Frauen in Rückschauen lebendig werden zu lassen.

Ein leichthändiges Prosadrama mit mysteriösem Ende

In der Gegenwart entwickelt sich ein spannendes weibliches Herr-und-Knecht-Verhältnis, das geprägt ist von sozialer Einsamkeit und emotionaler Unfähigkeit. Die Autorin entwirft in diesem Roman traurige Figuren und Konstellationen, zeichnet verlorene Leben, die trotzdem von Widerstand geprägt sind. Und deren Erinnerungen immer wieder Anlass für ziemlich komische Episoden geben. In der Musik wäre es wohl ein Capriccio, „frei in der Form und von lebhaftem Charakter“. Und dann gibt es ja noch Ole, der wie ein Elefant im Erzählraum steht und der für ein mysteriöses Ende sorgt in diesem leichthändigen – wie die Autorin es nennt – Prosadrama. Gerne hätte man eine Auflösung, aber da es eine wahre Geschichte ist, die erzählt wird, müssen wir ohne auskommen. Im Leben geht es eben nicht zu wie im Roman. Und alle Spuren verlaufen sich hier sowieso im märkischen Sand.
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'Kleines Haus am Wald/Morgen komm ich bald…' diesen Herbert-Roth-Schlager aus der Zeit ihrer Jugend hatte Ida vor sich hin gesummt, während sie ihren Koffer packte, um am nächsten Tag bei Elvira einzuziehen.

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Eine Zweck-WG gezeichneter Figuren

Ida und Elvira: Zwei höchst verschiedene alte Frauen, die eint, dass sie von ihren Müttern nicht geliebt wurden. Ida war eine besonders schöne Frau, die ihr Leben an der Seite ebenso wohlhabender wie egoistischer Männer verbracht hat. Irgendwann waren die Herren jedoch stets von ihr gelangweilt und nach der letzten Trennung ist sie ziemlich weit unten angekommen. Im wahren Sinn des Wortes: in einer dunklen Ein-Zimmer-Erdgeschoss-Wohnung. Sie hat eine miese Rente, die sie mit gelegentlichen Auftritten bei Seniorinnen-Modeschauen aufbessert. Auf einer solchen Veranstaltung trifft sie die lange schon verwitwete Elvira, die bis zur Pensionierung mit Leidenschaft berufstätig war. Ihr gehört ein kleines Haus und dort gibt es ein Zimmer für die Freundin.
Elviras ‚Eigenheim‘, ein rauputzgrauer Würfel mit Eternitdach, befindet sich auf einem Eckgrundstück am Rande eines Dorfes nahe der Hauptstadt, von der aus es per Auto gut, per Regionalbahn und Bus aber nur bis neun Uhr abends zu erreichen ist. Elvira nannte ihre abgelegene Gegend einmal „das letzte Loch im Berliner Speckgürtel“.

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Es ist also nicht direkt das schlagersehnsüchtige „kleine Haus am Wald“, in das die stets perfekt geschminkte, auf Kleidung wertlegende Ida zieht. Sie muss keine Miete zahlen. Als Ausgleich soll sie der Freundin im Haushalt zur Hand gehen und bei der Betreuung des halbwüchsigen, titelgebenden Enkel Ole helfen.

Familiengeschichten zwischen Grauen und Humor

Zwei alte Frauen, ein hässliches Haus und ein gestörter 15-Jähriger, der sich nur rudimentär verständlich machen kann, der viel und immer das Gleiche isst und am liebsten im Bett liegt. Das ist die Ausgangskonstellation in dem neuen Roman der Berliner Autorin Katja Lange-Müller. Und dann passiert ein Unglück. Ein Sturz. Hat Ole nachgeholfen oder ist die Großmutter gestolpert? Das wird nicht aufgeklärt, auch nicht von den freundlichen Kommissaren, die für kurze Zeit eine wichtige Rolle spielen und nicht wenig Humor in die nicht gerade komische Lage bringen. Entscheidender als die Polizei ist jedoch Oles Mutter, die rechtmäßige Erbin, die jetzt das Spielfeld betritt. Womit das Trio im hässlichen Haus wieder komplett wäre. Nur sind es jetzt eine alte und eine mittelalte Frau, die am Küchentisch sitzen und nicht wissen, wie sie mit dem behinderten Ole zurechtkommen sollen.
Sein Intelligenzquotient soll etwa bei vierzig liegen, zudem gilt er als autistisch. Von der allgemeinen Schulpflicht ist er jedenfalls befreit und in die Sonderschule geht er auch nicht. Seine Oma Elvira hat ihn unterrichtet, so gut es ging. Lesen, schreiben, rechnen kann er nicht, dafür hantiert er gern mit Buntstiften und Elvira gefielen seine Bilder…

Quelle: Katja Lange-Müller – Unser Ole

Oma Elvira war wohl nicht unschuldig an der Behinderung des Neugeborenen. Jedenfalls erzählt Katja Lange-Müller eine ziemlich schreckliche Mutter-Tochter-Geschichte, in deren Folgen ein hirngestörter Säugling auf die Welt kommt. Überhaupt gelingt es ihr, die Lebensgeschichten dieser drei Frauen in Rückschauen lebendig werden zu lassen.

Ein leichthändiges Prosadrama mit mysteriösem Ende

In der Gegenwart entwickelt sich ein spannendes weibliches Herr-und-Knecht-Verhältnis, das geprägt ist von sozialer Einsamkeit und emotionaler Unfähigkeit. Die Autorin entwirft in diesem Roman traurige Figuren und Konstellationen, zeichnet verlorene Leben, die trotzdem von Widerstand geprägt sind. Und deren Erinnerungen immer wieder Anlass für ziemlich komische Episoden geben. In der Musik wäre es wohl ein Capriccio, „frei in der Form und von lebhaftem Charakter“. Und dann gibt es ja noch Ole, der wie ein Elefant im Erzählraum steht und der für ein mysteriöses Ende sorgt in diesem leichthändigen – wie die Autorin es nennt – Prosadrama. Gerne hätte man eine Auflösung, aber da es eine wahre Geschichte ist, die erzählt wird, müssen wir ohne auskommen. Im Leben geht es eben nicht zu wie im Roman. Und alle Spuren verlaufen sich hier sowieso im märkischen Sand.
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