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Ines Geipel – Fabelland | Buchkritik

4:09
 
Kongsi
 

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Was ist das nur für eine Familiengeschichte: beide Großväter waren bei der SS, der Vater spionierte jahrelang „unter acht verschiedenen Namen“ für die DDR-Staatssicherheit im Westen Deutschlands, die Mutter war von vornherein eingeweiht, aber sagte ihren Kindern nichts – und Ines Geipel erfuhr davon erst im Jahr 2003 durch die Akte ihres Vaters, also 14 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer. Welche Nachwirkungen hat eine solche Familiengeschichte? Ines Geipel, die im August 1989 über Ungarn nach Westdeutschland geflohen war, hat die DDR-Diktatur am eigenen Leib erfahren: als Sprinterin war sie in das Drogenprogramm des DDR-Leistungssports eingebunden. Heute ist sie zu einer Schriftstellerin und Hochschullehrerin geworden, die sich aus eigener Erfahrung, aus der Erfahrung mit ihrer Familie, zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den beiden deutschen Diktaturen gezwungen sieht.

Verknüpfung von persönlicher Biographie und zeitdiagnostischem Essay

Aber Bewältigung der NS-Vergangenheit, Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, so mag manche Leserin und mancher Leser einwenden, hatte Ines Geipel darüber nicht schon vor fünf Jahren in ihrem sehr guten Buch „Umkämpfte Zone“ geschrieben? Was also ist neu in ihrem aktuellen Buch?

Die Kluft zwischen Ost und West ist größer geworden

Mehr als noch vor fünf Jahren wird heute klar: Man kann Glück verspielen, das Glück ist dem Zorn gewichen. Klar ist auch: die Kluft zwischen Ost und West ist größer geworden.
Wie keine andere hat die bundesdeutsche 68er-Generation die politischen Debatten im Land geprägt. Die Intervention der Jungen hatte Wirkung und war ein Katalysator für die Liberalisierung der westdeutschen Gesellschaft. Und im Osten? Dort hatte der korrumpierte Buchenwald-Komplex die Gesellschaft ins gedächtnispolitische Nirwana geschickt.

Quelle: Ines Geipel – Fabelland

Die Opfer des Holocaust kamen in der Legende von den kommunistischen Buchenwald-Kämpfern nicht vor. Der instrumentalisierte, rote Antifaschismus kreiste – schreibt die Autorin - „um die 72 deutschen Kommunisten, die in Buchenwald ums Leben gekommen waren. 72 von insgesamt 56.000“. Ines Geipel dagegen geht ganz anders vor: Sie berichtet von ihrer eigenen Familie: von Täterfamilien, von einem doppelten Schweigen, das zu einem doppelten Trauma führte.
Anders als der Generation im Westen war es im Osten nicht möglich, sich auf die Siegerseite der Geschichte hinüberzuerzählen.

Quelle: Ines Geipel – Fabelland

Die Schuldverdrängung macht anfällig für die Rechtsradikalen

Seit über 20 Jahren schon, so diagnostiziert Ines Geipel, kommt „etwas Altes“ zurück: „Der Hass, das Nationale, die Identitätsfrage.“ Das „DDR-Schlafdelirium“, das „antifaschistische Entlastungsprogramm“, wie Geipel es nennt, führte zu einem „brachialen Gesellschaftsloch“. Das sogenannte „neue ostdeutsche Selbstbewusstsein“ wurde, so ihre These, von den Rechtsradikalen gekapert. Die erinnerungspolitische Entlastungserzählung, die versucht, den Westen zum Buhmann zu machen, macht ihrer Ansicht nach deutlich, wie sehr die älteren, diktaturbelasteten Ost-Generationen immer noch zusammenhalten. Am Ende, im Gespräch mit der neuen Generation an der Schauspielschule Ernst Busch, stimmt Geipel – wider Erwarten – hoffnungsvolle Töne an:
Sie wollen es anders machen. Sie wollen auf der Bühne gemeinsam über Sehnsucht nachdenken. Die Sehnsucht nach Aufarbeitung. Das sagen sie wirklich.

Quelle: Ines Geipel – Fabelland

Es ist eine aufregende Reise durch das verminte Gelände der Schuldverdrängung, die die Autorin unternimmt. Auf jeden Fall lesenswert.
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Aber Bewältigung der NS-Vergangenheit, Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, so mag manche Leserin und mancher Leser einwenden, hatte Ines Geipel darüber nicht schon vor fünf Jahren in ihrem sehr guten Buch „Umkämpfte Zone“ geschrieben? Was also ist neu in ihrem aktuellen Buch?

Die Kluft zwischen Ost und West ist größer geworden

Mehr als noch vor fünf Jahren wird heute klar: Man kann Glück verspielen, das Glück ist dem Zorn gewichen. Klar ist auch: die Kluft zwischen Ost und West ist größer geworden.
Wie keine andere hat die bundesdeutsche 68er-Generation die politischen Debatten im Land geprägt. Die Intervention der Jungen hatte Wirkung und war ein Katalysator für die Liberalisierung der westdeutschen Gesellschaft. Und im Osten? Dort hatte der korrumpierte Buchenwald-Komplex die Gesellschaft ins gedächtnispolitische Nirwana geschickt.

Quelle: Ines Geipel – Fabelland

Die Opfer des Holocaust kamen in der Legende von den kommunistischen Buchenwald-Kämpfern nicht vor. Der instrumentalisierte, rote Antifaschismus kreiste – schreibt die Autorin - „um die 72 deutschen Kommunisten, die in Buchenwald ums Leben gekommen waren. 72 von insgesamt 56.000“. Ines Geipel dagegen geht ganz anders vor: Sie berichtet von ihrer eigenen Familie: von Täterfamilien, von einem doppelten Schweigen, das zu einem doppelten Trauma führte.
Anders als der Generation im Westen war es im Osten nicht möglich, sich auf die Siegerseite der Geschichte hinüberzuerzählen.

Quelle: Ines Geipel – Fabelland

Die Schuldverdrängung macht anfällig für die Rechtsradikalen

Seit über 20 Jahren schon, so diagnostiziert Ines Geipel, kommt „etwas Altes“ zurück: „Der Hass, das Nationale, die Identitätsfrage.“ Das „DDR-Schlafdelirium“, das „antifaschistische Entlastungsprogramm“, wie Geipel es nennt, führte zu einem „brachialen Gesellschaftsloch“. Das sogenannte „neue ostdeutsche Selbstbewusstsein“ wurde, so ihre These, von den Rechtsradikalen gekapert. Die erinnerungspolitische Entlastungserzählung, die versucht, den Westen zum Buhmann zu machen, macht ihrer Ansicht nach deutlich, wie sehr die älteren, diktaturbelasteten Ost-Generationen immer noch zusammenhalten. Am Ende, im Gespräch mit der neuen Generation an der Schauspielschule Ernst Busch, stimmt Geipel – wider Erwarten – hoffnungsvolle Töne an:
Sie wollen es anders machen. Sie wollen auf der Bühne gemeinsam über Sehnsucht nachdenken. Die Sehnsucht nach Aufarbeitung. Das sagen sie wirklich.

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